BESSER Gesund Leben: Unterstützung für Menschen mit geistiger Behinderung durch FaPP-MgB

Menschen mit geistiger Behinderung nehmen Vorsorgeangebote in der Regel seltener wahr, so dass Gesundheitsrisiken nicht oder zu spät erkannt werden. Im Projekt FaPP-MgB werden individuelle Präventionspläne entwickelt, um die Gesundheit der Betroffenen zu verbessern.

Ca. 0,6 Prozent der deutschen Bevölkerung leben mit einer geistigen Behinderung. Diese Menschen haben oftmals ein geringeres Wissen über eine gesunde Lebensführung als die Allgemeinbevölkerung, zum Beispiel werden Krankheiten seltener rechtzeitig erkannt und behandelt, weil Vorsorgeangebote ungenutzt bleiben. Ein geringes Wissen über eine gesunde Lebensführung und der schlechtere Zugang zu Präventionsangeboten kann lebenslange Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit von Menschen mit geistiger Behinderung haben. In dieser Bevölkerungsgruppe ist das Risiko für Mangel- und Fehlernährung sowie starkes Übergewicht (Adipositas) und Diabetes höher, auch ein stärkerer Alkohol- und Nikotinkonsum steigert das Risiko für chronische Erkrankungen.

Hier setzt das Projekt „Fallmanagement und Pflegeexpertise als Präventionsansatz für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung“ (FaPP-MgB) an: Im Projekt erarbeitete individuelle Präventionspläne sollen die Gesundheitssituation, die Lebensqualität sowie die physische und psychische Widerstandskraft der Teilnehmenden verbessern. Teilnehmende erhalten mit den Präventionsplänen und unterstützt durch Pflegende mit spezifischer Expertise (Advanced Nursing Practice) mehr Informationen über eine gesunde Lebensweise. Das Projekt wird für drei Jahre mit insgesamt ca. 4,7 Millionen Euro durch den Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gefördert.

Entwicklung individueller Präventionsangebote

„Wir möchten gemeinsam mit unserer Zielgruppe einen individuellen Präventionsplan mit konkreten Maßnahmen wie Sportangeboten, Ernährungsberatung und Vorsorgeuntersuchungen entwickeln“, so Projektleiterin Dr. Miriam Tariba Richter, Professorin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg. In sieben Hamburger Bezirken wird zunächst das bestehende Präventionsangebot für Menschen mit geistiger Behinderung erfasst, darauf aufbauend begleiten spezialisierte Pflegekräfte vom Evangelischen Krankenhaus Alsterdorf die Studienteilnehmenden auf dem Weg zu einer besseren Gesundheitskompetenz. Dafür vereinbaren sie mit den Teilnehmenden und ggf. deren Betreuungspersonen mehrere Hausbesuche und erarbeiten, aufbauend auf einer Bedarfserhebung, gemeinsam einen Plan mit individuellen Zielen.

Studie untersucht den Erfolg der Maßnahme

Wie erfolgreich dieser Präventionsansatz ist, soll in einer begleitenden Studie unter dem leichten Titel „BESSER Gesund Leben“ untersucht werden. Dazu werden seit dem 1. Oktober 2022 ca. 250 Studienteilnehmende aus sieben Hamburger Bezirken rekrutiert. Die Hälfte der Studienteilnehmenden wird von Beginn an von den spezialisierten Pflegekräften begleitet (Interventionsgruppe), die andere Hälfte der Teilnehmenden erhält diese Begleitung erst nach zwölf Monaten (Kontrollgruppe). Der Gesundheitsstatus beider Gruppen, ihre Lebensqualität und ihre physische und psychische Widerstandskraft werden nach sechs bzw. zwölf Monaten miteinander verglichen. „Wir erhoffen uns von der Begleitung eine Verbesserung bei bereits bestehenden Erkrankungen und eine Verringerung der gesundheitlichen Probleme und Risiken bei den Teilnehmenden“, erläutert Projektleiterin Richter. Um Erkenntnisse zur Durchführbarkeit und Effektivität der Begleitung aus unterschiedlichen Perspektiven zu erhalten, werden sowohl Teilnehmende und ihre Bezugspersonen als auch die jeweiligen Pflegekräfte befragt. Zudem erfolgt eine Auswertung aller Gesundheitskosten der Intervention. Vergleich und Evaluation übernehmen Expertinnen und Experten der Fachhochschule Bielefeld und des Deutschen Krankenhausinstitutes.

Gemeinsam mit den Betroffenen forschen

Das Besondere am Projekt FaPP-MgB ist die enge Einbindung und Beteiligung von Menschen mit geistiger Behinderung auch an der wissenschaftlichen Aufbereitung. „Die Lebenswelten von Menschen mit einer sogenannten geistigen Behinderung sind sehr vielfältig. Um mehr über ihre Sichtweisen und Bedürfnisse zu erfahren, ist es uns wichtig, sie als Co-Forschende in den Forschungsprozess einzubinden“, erklärt Projektleiterin Richter. Vier bis sechs Menschen mit geistiger Behinderung, die nicht selbst an der Studie teilnehmen, bilden zusammen mit einer Forschungsleitung eine sogenannte Forschungs-AG. Diese entwickelt einen Fragebogen in leichter Sprache und interviewt 10 bis 15 Studienteilnehmende. Durch diese inklusive Forschung soll erarbeitet werden, welche individuellen Wissensbestände, Erfahrungen und Strategien es bei den Betroffenen zur Prävention gibt.

Präventionskonzept soll flächendeckend Anwendung finden

Die Pflegenden mit spezialisierter Expertise werden im Rahmen des Projekts eine Handlungsempfehlung entwickeln, die Inhalte und Erfolgsfaktoren des Präventionsansatzes digital zusammenfasst und für eine flächendeckende Anwendung genutzt werden könnte. Auch werden Vorschläge erarbeitet, wie allgemeine Qualifikationsangebote zur Spezialisierung von Pflegekräften geschaffen werden können. „Wir möchten mit unserem Projekt den Grundstein dafür legen, dass Menschen mit einer sogenannten geistigen Behinderung bundesweit ein gesünderes Leben führen können“, bilanziert Projektleiterin Richter.

Stand: 24.11.2022