THEON – Online-Hilfe für Kinder mit Sprachproblemen

Fast jedes zehnte Kind im Alter von 5 bis 9 Jahren weist laut Forschungsberichten eine angeborene Sprachentwicklungsstörung auf. Eine frühzeitige Behandlung ist entscheidend – doch oft ist eine regelmäßige Therapie im Praxisalltag nicht gegeben. Ein im Projekt THEON entwickeltes Online-Angebot soll zeitnah helfen.

© Universitätsklinikum Münster

Beispielhaft demonstriert eine wissenschaftliche Mitarbeiterin mit ihren beiden Kindern eine Therapiesequenz, wie sie im Projekt THEON entwickelt und angewendet wurde.

Sehr spätes, undeutliches Sprechen, ein kleiner Wortschatz und falsche Grammatik – laut Heilmittelbericht des WIdO 2023/2024 betreffen die häufigsten Therapien im Kindesalter angeborene Sprachentwicklungsstörungen. Unbehandelt können diese weitreichende Folgen bis ins Jugend- und Erwachsenenalter haben: Sie wirken sich auf die soziale, emotionale sowie schulische Entwicklung der betroffenen Kinder aus – und damit ganz allgemein auf ihre Chancen im Leben. Möglichst früh sollte deshalb eine regelmäßige sprachtherapeutische Versorgung einsetzen, doch sind Ausfalltermine in logopädischen Praxen keine Seltenheit.

Innovative Versorgungskonzepte, wie sie im Projekt THEON entwickelt wurden, können einen wichtigen Beitrag für eine bessere Versorgung der betroffenen Kinder und ihrer Familien leisten. Im Fachgebiet der Phoniatrie und Pädaudiologie, der sich mit dem Hören, dem Sprechen und der Sprache bei Kindern befasst, untersucht das Forschungsteam, ob eine online durchgeführte Kleingruppentherapie besser abschneidet als die herkömmliche Regelversorgung in Praxen. Das Projekt wird für 45 Monate mit insgesamt ca. 1,35 Millionen Euro durch den Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss gefördert.

Online-Gruppentherapie: Chance für schnelle Versorgung

Regelhaft sieht die ambulante Sprachtherapie einmal wöchentlich in Präsenz durchgeführte Einzeltherapien vor. Im Projekt THEON entwickelten die Forschenden ein neues Behandlungskonzept: eine Online-Therapie in Kleingruppen mit jeweils zwei bis drei Kindern. Die Behandlung besteht aus drei mehrwöchigen Intensivphasen, in denen die Kinder wöchentlich drei Online-Sitzungen von je 45 Minuten absolvieren. Zwischen den Therapieblöcken liegen jeweils drei Monate Pause, um die Entwicklung der Kinder über einen längeren Zeitraum hinweg zu beobachten.

Rekrutierung abgeschlossen – Ergebnisse folgen

Die Therapiephase der Studie wurde bereits erfolgreich abgeschlossen: Insgesamt nahmen 212 Kinder teil. Eine Hälfte erhielt die Standardtherapie als Einzelbehandlung in einer logopädischen Praxis, die andere Hälfte wurde nach dem neuen Konzept behandelt. Aktuell wird untersucht, ob der neue Behandlungsansatz die Sprachfähigkeiten der Kinder ebenso wirksam wie die Standardtherapie verbessern kann – oder sogar darüber hinausgeht. Neben der Wirksamkeit untersucht die THEON-Studie auch die Bedürfnisse und die Zufriedenheit der Familien in beiden Behandlungsformen. Die gewonnenen Erkenntnisse zu Therapieverlauf und Kosten sollen in praktische Empfehlungen einfließen und Sprachtherapeutinnen und -therapeuten zur Verfügung gestellt werden. Mit den Ergebnissen ist Mitte 2026 zu rechnen.

Schon während der laufenden Forschungsarbeiten konnte das Team positive Effekte der Kleingruppentherapien feststellen. „Die Kombination des Online-Angebots mit einer Kleingruppen-Therapie motiviert die Kinder, voneinander zu lernen und miteinander zu kommunizieren“, berichtet Professorin Katrin Neumann vom Universitätsklinikum Münster, die Leiterin der Studie. „Neben der Behandlung der Sprachschwächen können auch die Stärken der Kinder betont werden, und es lassen sich mögliche Sprechhemmungen im Kontakt mit den anderen Kindern abbauen. Viele Eltern haben die Online-Therapie als Entlastung empfunden und fühlen sich in ihren Kompetenzen gestärkt, die Sprachentwicklung ihrer Kinder zu unterstützen.“

„Mit THEON schaffen wir neue Wege, Sprachtherapie zeitnah und wirksam anzubieten.“

Projektleiterin Prof. Dr. Katrin Neumann


© Universitätsklinikum Tübingen

​Potenzial in der Versorgung

Für die Versorgungspraxis bei Sprachentwicklungsstörungen sieht Neumann großes Potenzial: „Wir freuen uns, einen Förderer wie den Innovationsausschuss an unserer Seite zu haben. Unsere Erkenntnisse können ein Anstoß sein, innovative Therapieformen in die Regelversorgung zu integrieren und in den Heilmittelrichtlinien und Fortbildungsangeboten für logopädische Therapeutinnen und Therapeuten entsprechend zu berücksichtigen.“ Ziel des Projekts sei die Sicherstellung eines niederschwelligen, zeitnahen und wohnortunabhängigen Therapieangebots, das auch den zunehmenden Fachkräftemangel und begrenzte finanzielle Ressourcen im Gesundheitswesen berücksichtigt. Für Katrin Neumann hat das Online-Angebot noch einen weiteren Vorteil: „Die Kinder sind mit Spaß und großer Motivation bei der Sache und können in ihrem vertrauten Umfeld von der Behandlung profitieren.“

Stand: 11.09.2025