MeZEB: Bessere Gesund­heits­ver­sorgung für Menschen mit Behinderung

Erwachsene mit geistiger oder schwerer mehrfacher Behinderung haben oftmals komplexe medizi­nische Bedarfe und Bedürfnisse, auf die viele Praxen nicht ausgerichtet sind. Wie sich die Behandlung dieser Patien­tinnen und Patienten durch Medizi­nische Zentren für Erwachsene mit Behinderung (MZEB) verändert hat, analysieren Forschende der Universität Bielefeld im Projekt MeZEB.

In Deutschland leben derzeit etwa 7,8 Millionen Menschen mit einer amtlich anerkannten schweren Behinderung. Das entspricht einem Bevölke­rungs­anteil von fast zehn Prozent. Kinder und Jugendliche mit Behinderung können in Sozial­päd­ia­trischen Zentren von speziell geschulten Fachkräften ambulant untersucht und behandelt werden. Anders ist dies gemäß der Regelver­sorgung bei Erwachsenen mit geistiger und/oder schwerer Mehrfach­be­hin­derung; sie werden von medizi­nischen Fachkräften behandelt, die für den Umgang mit dieser Patien­ten­gruppe nicht eigens ausgebildet sind. Mit der seit 2015 möglichen Gründung ambulanter MZEB aber kann auch Erwachsenen mit Behinderung eine Versorgung angeboten werden, die besser auf ihre Bedarfe zugeschnitten ist.

Wissen­schaftliche Erkenntnisse zur Arbeitsweise von MZEB und deren Bedeutung für die ambulante Gesund­heits­ver­sorgung der Patien­tinnen und Patienten erarbeiten derzeit Forschende der Universität Bielefeld. „Wir möchten die aktuelle medizi­nische Versorgung von Menschen mit geistigen oder Mehrfach­be­hin­de­rungen untersuchen und mit der Versor­gungslage vor Einführung von MZEB vergleichen“, erläutert Projekt­leiter Professor Dr. Thorsten Meyer. Dafür kooperiert die Universität Bielefeld mit dem Krankenhaus Mara in Bielefeld und dem Diakovere Annastift in Hannover, die beide ein MZEB betreiben. Der Innova­ti­ons­aus­schuss beim Gemeinsamen Bundes­aus­schuss förderte das Projekt mit rund einer Million Euro.

Wichtige Säule der Versorgung: Fachüber­greifende Teamarbeit

„Ein wesent­liches Merkmal der MZEB ist die enge Zusammen­arbeit der unterschied­lichen Fachdis­zi­plinen und -​berufe, um die Patien­tinnen und Patienten bestmöglich versorgen zu können“, beschreibt Meyer. An den beteiligten MZEB sind u. a. die Orthopädie, Urologie, Neurologie, Psychiatrie, Ergotherapie und Physio­therapie vertreten. Um die interdis­zi­plinäre und multipro­fes­sionelle Teamarbeit genauer erfassen zu können, haben die Forschenden die MZEB-​Mitarbeitenden über mehrere Tage bei ihrer Tätigkeit und in Teamsit­zungen begleitet. Deutlich wurde dabei, dass die Mitarbei­tenden auch eine wichtige sozial­me­di­zi­nische Rolle im Alltag der Betroffenen übernehmen und nicht nur bei der bedarfs­ge­rechten medizi­nischen Versorgung unterstützen.

Befragungs­runden liefern wichtige Informa­tionen zur Versorgung

Patien­tinnen, Patienten und Angehörige wurden zu zwei Erhebungs­zeit­punkten zu ihren Erfahrungen mit der Gesund­heits­ver­sorgung vor und ca. zwei Jahre nach Beginn der Behandlung in einem MZEB interviewt. „Die Bereit­schaft und Offenheit der Befragten, über ihre Situation zu erzählen, um uns einen persön­lichen Einblick zu geben, hat uns alle sehr beeindruckt“, erklärt Meyer. Weitere Interviews führten die Forschenden mit Personen, die nicht in einem MZEB versorgt wurden. Weil die Befragungen teils während der Corona-​Pandemie stattfanden, wurden zudem zusätzliche Interviews mit neu rekrutierten Betroffenen geführt, um mögliche pandemie­be­dingte Verände­rungen von der Versorgung an den MZEB abgrenzen zu können.

Erste Ergebnisse zeigen Verbes­se­rungs­po­tenzial

Bislang liegen die Ergebnisse des ersten Erhebungs­zeit­punktes vor; sie betreffen die Regelver­sorgung und zeigen deren Verbes­se­rungs­po­tenzial auf: „Wir sehen, dass die Patien­tinnen und Patienten vor der Aufnahme in ein MZEB einen hohen Bedarf an medizi­nischer Versorgung haben, da sie vergleichsweise häufig an chronischen Krankheiten und unter Schmerzen leiden“, so Meyer. „Auch schilderten die Befragten Probleme, Zugang zu Behandlung und Vorsorge zu erhalten, sowie in der Kommuni­kation mit ihren Ärztinnen und Ärzten. Die Betroffenen schilderten regelhaft Situationen, in denen sie sich von Ärztinnen und Ärzten nicht ernst genommen fühlten, zugleich sind medizi­nische Fachkräfte oft unsicher, wie sie ihren Patien­tinnen und Patienten am besten begegnen.“

Gesamt­aus­wertung wird aktuell erstellt

Aktuell werden die Daten des zweiten Erhebungs­zeit­punktes ausgewertet; sie sollen bis Ende Februar 2023 vorliegen. Zwischen­er­gebnisse zur Rolle der MZEB zeigen aus Sicht der Projekt­ver­ant­wort­lichen bereits, wie vielseitig diese von den Betroffenen genutzt werden und dass sie einen wichtigen Beitrag zu deren Versorgung und der Unterstützung im Alltag leisten können – ein weiterer Schritt auf dem Weg, die MZEB weiter zu etablieren und die Versorgung von erwachsenen Menschen mit Behinderung langfristig und nachhaltig zu verbessern.

Stand: 24.11.2022