SLEEP WELL: Digitale Hilfe bei Schlafapnoe

Immer mehr Menschen leiden an Atemaussetzern im Schlaf. Eine Überdrucktherapie per Maske kann helfen, doch dauert es bis zu einer Diagnose und Therapie oft lange. Das Projekt SLEEP WELL will dies mithilfe von Telemedizin ändern.

Wiederholte und längere Atemaussetzer im Schlaf: An einer behandlungsbedürftigen obstruktiven Schlafapnoe leiden immer mehr Menschen in Deutschland. Mit dem demografischen Wandel wird die Anzahl weiter steigen, denn zu den wichtigsten Risikofaktoren der Erkrankung zählt – neben Übergewicht – das Lebensalter. Mit der nächtlichen Überdrucktherapie lassen sich schlafbezogene Atmungsstörungen wirksam behandeln. Allerdings kann diese Therapie aktuell nur während einer überwachten Nacht in einem Schlaflabor eingeleitet werden. Zudem brechen viele Patientinnen und Patienten diese Therapie im weiteren Verlauf wieder ab – häufig, weil sie bei Problemen mit der Therapie keine zeitnahe Hilfe erhalten.

„Telemedizin wird für die Versorgung der Betroffenen deshalb immer relevanter“, erklärt Professor Dr. Christoph Schöbel, Leiter des Zentrums für Schlaf- und Telemedizin der Ruhrlandklinik Essen und des Projekts SLEEP WELL. „Bei SLEEP WELL möchten wir sowohl die Zeit bis zur effektiven Therapie verkürzen als auch die Therapietreue erhöhen.“ Das Projekt wird für vier Jahre mit insgesamt rund 6,8 Millionen Euro durch den Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss gefördert.

Telemedizin unterstützt bei Diagnostik und Therapie

Die Projektbeteiligten bei SLEEP WELL entwickelten einen neuen Ansatz, der die Versorgung von Menschen mit Schlafapnoe deutlich verbessern könnte. Zentrale Elemente dabei: die telemedizinische Beratung durch erfahrene Schlafmedizinerinnen und -mediziner sowie eine webbasierte Plattform, in die Daten zum Schlafverlauf einfließen. Besteht der Verdacht auf eine obstruktive Schlafapnoe, kann dies mithilfe einer mobilen Atmungsmessung, der sogenannten Polygraphie, bereits zu Hause voruntersucht werden. Diese gängige häusliche Messung wird von den Betroffenen bequem zu Hause durchgeführt: Das kleine Messgerät wird in gewohnter Schlafumgebung von den Betroffenen selbst angelegt und misst über die Nacht den Atemfluss an der Nase, die Atembewegungen von Brust und Bauch sowie die Sauerstoffsättigung über einen Fingersensor. Die Schlafmedizinerinnen und -mediziner werten die erhobenen Daten über die Plattform aus und entscheiden gemeinsam mit den betreuenden Haus- oder Fachärztinnen und -ärzten, ob eine weitergehende Diagnostik oder eine direkte Therapieeinleitung angezeigt sind. Bei Bedarf kann über die Plattform auch eine interdisziplinäre Fallbesprechung geführt werden.

Sofern Behandlungsbedarf besteht und keine weitergehende Diagnostik im Schlaflabor notwendig ist, kann die notwendige Überdrucktherapie direkt in der Häuslichkeit der Betroffenen eingeleitet werden. Über ein im Therapiegerät integriertes Telemedizin-Modul werden dann täglich Daten an die Telemedizinerinnen und -mediziner übermittelt. Kommt es zu Problemen mit der Therapie, können sie die Betroffenen telefonisch kontaktieren, ihnen Hilfestellungen geben und so die Therapietreue erhöhen. Das Besondere an diesem Ansatz: Menschen mit relevanter symptomatischer Schlafapnoe können eine häusliche Behandlung starten, ohne dass eine zusätzliche Untersuchung im Schlaflabor erforderlich ist. Aber auch Betroffene, die gemäß der klinischen Routine im Schlaflabor auf eine nächtliche Überdrucktherapie eingestellt wurden, erhalten im Projekt eine telemedizinische Therapienachsorge. So soll auch deren Therapietreue verbessert werden.

Über 4.000 Patientinnen und Patienten in Studie eingeschlossen

„Wir überprüfen den Erfolg unseres Konzepts mithilfe einer großangelegten Studie“ erklärt Schöbel. Die Rekrutierung für diese Studie war ein voller Erfolg – über 4.400 Patientinnen und Patienten konnten für eine Teilnahme gewonnen werden. Sie wurden nach dem Zufallsprinzip einer Kontroll- bzw. der Telemedizingruppe zugeteilt, die beide nach den medizinischen Standards der Regelversorgung diagnostiziert und behandelt werden. Nur die Telemedizingruppe wird durch die Schlafmedizinerinnen und -mediziner des Telemedizin-Boards betreut. Die Forschenden untersuchen mit der Studie u. a., ob die Lebensqualität in der Telemedizingruppe höher ist als in der Kontrollgruppe, ob sich die Wartezeit auf eine adäquate Therapie durch den Einsatz von Telemedizin verkürzt und ob eine telemedizinisch unterstützte Überdruck-Therapie seltener abgebrochen wird.

SLEEP WELL soll Betroffenen deutschlandweit helfen

„Im Erfolgsfall können die neuen Ansätze von SLEEP WELL in ganz Deutschland eingesetzt werden“, erläutert Schöbel. „Gerade Patientinnen und Patienten in Regionen, in denen das nächste Schlaflabor weit entfernt ist, können hiervon profitieren.“ Und auch für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte ist dieser Ansatz von Vorteil. So eröffnen die im Bedarfsfall durchgeführten interdisziplinären Telekonsile mit den Schlafmedizinerinnen und -medizinern neue Kommunikationswege für das ärztliche Fachpersonal. Dies wiederum ermöglicht vielen Patientinnen und Patienten eine bessere Behandlung – und damit mehr Lebensqualität. Ein vielversprechender Ansatz, urteilte auch die Jury des MSD Gesundheitspreises: Sie hat das Projekt SLEEP WELL Anfang November 2024 mit dem Sonderpreis Digitalisierung ausgezeichnet.

Stand: 12.02.2025