Depression nach der Geburt: Smarte Hilfe für Mütter
Manche Frauen verspüren nach einer Geburt keine Glücksgefühle, sondern emotionale Leere und Traurigkeit. Das kann auf eine postpartale Depression hinweisen. Forschende in Berlin entwickelten eine App, die Betroffenen Hilfe bietet.
Die Zeit nach einer Geburt erleben viele Frauen als emotionale Achterbahnfahrt – ihre Gefühle schwanken zwischen Aufregung und Freude, Antriebslosigkeit und emotionaler Erschöpfung. Bei mehr als jeder zehnten Frau überwiegen jedoch laut der „Deutschen Depressionshilfe und Suizidprävention“ negative Symptome, wie Angstzustände, anhaltende Traurigkeit, Reizbarkeit bis hin zu suizidalen Gedanken. Auslöser dafür kann eine postpartale Depression sein, die umgangssprachlich auch Wochenbettdepression genannt wird. Doch oft wird die Erkrankung weder erkannt noch behandelt. Der Bedarf für niedrigschwellige Präventions- und Behandlungsangebote ist groß. Im Projekt Smart-e-Moms in Berlin wurde eine App entwickelt, die Müttern mit depressiver Symptomatik Rat und Hilfe bietet. Das Projekt wird für drei Jahre mit insgesamt ca. 1,2 Millionen Euro durch den Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert.
Schnelle, flexible und anonyme Hilfe per App
„Digitale Programme zur Behandlung von Depressionen werden bereits erfolgreich in der Gesundheitsversorgung eingesetzt“, berichtet Dr. Babette Renneberg, Professorin an der Freien Universität Berlin und Projektleiterin von Smart-e-Moms. „Es fehlt bislang aber an digitalen Hilfen, die spezifisch auf die Bedürfnisse von Frauen nach der Geburt eingehen.“ Hierfür entwickelten die Forschenden eine Smartphone-App – ein niedrigschwelliges Angebot, bei dessen Entwicklung auch betroffene Frauen sowie Hebammen einbezogen wurden.
Die zeitlich flexible und anonym nutzbare App enthält kurze Informationseinheiten zu den größten Herausforderungen nach einer Geburt. Sie hilft zum Beispiel bei Fragen wie diesen: Wie gehe ich mit den veränderten Lebensumständen und dem damit verbundenem Stress um? Wie kann ich eine gute emotionale Beziehung zu meinem Kind aufbauen? Darf „Mutterglück“ auch Schattenseiten haben? Zusätzlich enthält die App Tipps zur Selbstfürsorge sowie Informationen zu einer Vielzahl von Themen, die Frauen nach der Geburt beschäftigen, beispielsweise zu Schlaf, Partnerschaft oder belastenden Geburtserfahrungen.
Studie überprüft Wirksamkeit ab August 2024
Im Rahmen einer Studie wollen die Forschenden überprüfen, ob die App von den Betroffenen angenommen wird und depressive Symptome nach der Geburt wirksam reduzieren kann. An dieser Studie können Mütter teilnehmen, die nach der Geburt ihres Babys depressive Tendenzen zeigen und deren Kind nicht älter als sechs Monate ist. Die Studie vergleicht 278 Frauen, die die App nutzen (Interventionsgruppe), mit 278 Frauen, die die App nicht nutzen (Kontrollgruppe). Die Einteilung in die Gruppen erfolgt nach dem Zufallsprinzip; Teilnehmerinnen der Interventionsgruppe erhalten mit der App Zugang zu einem Programm mit zehn Einheiten, das zeitlich flexibel innerhalb von etwa sechs Wochen mit dem eigenen Smartphone absolviert werden kann. Während des gesamten Programms werden die Nutzerinnen psychotherapeutisch begleitet und erhalten in regelmäßigem Abstand ein Feedback. Bei einer Verschlechterung der Symptomatik sowie bei suizidalen oder fremdgefährdenden Absichten wird ein telefonischer Kontakt hergestellt.
Eine Teilnahme ist bis Anfang Mai 2025 möglich. Die Studie wird von der Freien Universität Berlin, dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und der AOK Nordost durchgeführt.
Smart-e-Moms soll der ganzen Familie nützen
„Im Erfolgsfall profitieren von dem Programm nicht nur die betroffenen Frauen, sondern die gesamte Familie“, erläutert Renneberg. Noch dazu: Smart-e-Moms setzt auf einen vorbeugenden Ansatz, um mögliche (negative) Auswirkungen auf den Säugling zu verhindern. Auch können Leistungserbringer, also zum Beispiel das Fachpersonal in Kinderarzt- und Frauenarztpraxen oder Hebammen, von dem Programm profitieren. „Ihnen fehlt es meist nicht nur an den nötigen Ressourcen, um auf die psychischen Beschwerden der Frauen einzugehen, sondern auch an Angeboten, an die sie die Frauen vermitteln können“, weiß Renneberg aus der Praxis. „Auf lange Sicht könnte Smart-e-Moms eine wichtige Unterstützung für Leistungserbringer darstellen, damit diese ihre Patientinnen adäquat weitervermitteln können.“
Um Smart-e-Moms nach der Projektlaufzeit zu verstetigen, wurde ein Nachhaltigkeitsbeirat eingerichtet. Seine Aufgabe ist es sicherzustellen, dass die Intervention in Zukunft betroffenen Frauen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden kann.
Stand: 04.10.2024