STRONG – Für eine bessere Versorgung bei Genitalbeschneidung
Nach Angaben des Vereins Terre des Femmes steigt auch in Deutschland die Zahl der Frauen und Mädchen mit Migrationsgeschichte, die von Genitalbeschneidung/-verstümmelung betroffen sind. Genitalbeschneidung/-verstümmelung ist eine schwere Menschenrechtsverletzung.
Für das Krankenhauspersonal – Gesundheitsberufe wie auch Verwaltungsangestellte – bringt diese Entwicklung besondere Herausforderungen mit sich: Es geht um eine qualitativ gute medizinische Versorgung der betroffenen Frauen, die gender- und kultursensible Aspekte angemessen berücksichtigt. Wissenslücken über kulturelle Besonderheiten sowie juristische Gesichtspunkte überfordern und belasten das Personal oft im Behandlungsverlauf. Um die kultursensible gynäkologische Versorgung im Krankenhaus zu verbessern, will das Projekt STRONG spezifische Handlungsempfehlungen für das Personal erarbeiten. Dazu wird das Projekt für drei Jahre mit ca. 468.000 Euro durch den Innovationsauschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gefördert.
Stärke durch geteiltes Wissen
Statt isolierte Handlungsempfehlungen für einzelne Berufsgruppen zu erarbeiten, verfolgt STRONG einen interdisziplinären Ansatz, der die Erfahrungen möglichst vieler Beteiligter einbezieht. Neben dem medizinischen Fachpersonal sind deshalb auch psychologische Fachkräfte, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Hebammen aktiv in die Entwicklung der Empfehlungen involviert. Besonders wichtig ist die Perspektive der betroffenen Frauen selbst, die über Workshops und Interviews eingebunden werden, um ihre Erfahrungen und Anliegen zu teilen. „Wir haben früh erkannt, dass mit einem ganzheitlichen Ansatz wirklich praxisnahe und nachhaltige Lösungen entwickelt werden können. Unser Ziel ist eine Versorgung, die neben medizinischen Aspekten auch die kulturellen und emotionalen Bedürfnisse der Patientinnen berücksichtigt “, so Prof. Dr. Helen Kohlen, Projektleiterin bei STRONG.
Feldforschung und erste Erkenntnisse
Im Rahmen einer Fallstudie in Berlin erfasst das STRONG-Team die unterschiedlichen Perspektiven von betroffenen Frauen, Krankenhauspersonal sowie weiteren Expertinnen und Experten. Das Projektteam wertet Dokumente aus, führt Interviews und Gruppendiskussionen durch, beobachtet alltägliche Abläufe im Krankenhaus und analysiert beispielweise Informationsmaterialien. Diese Feldforschung hilft, Optionen zu entwickeln und nötige Ressourcen aufzuzeigen, die schließlich in Handlungsempfehlungen für die gynäkologische Versorgung im Krankenhaus münden sollen.
Wertvolle Erkenntnisse konnten bereits gewonnen werden: So können es niedrigschwellige Angebote den betroffenen Frauen erleichtern, über ihre Erfahrungen und gesundheitliche Probleme zu sprechen. Frauencafés oder Beratungsangebote außerhalb der Klinik sind bereits dafür wichtige Plattformen. Besonders in den Interviews mit betroffenen Frauen wird Prof. Dr. Kohlen zufolge deutlich, wie wichtig es ist, auf die individuellen Kontexte und Bedürfnisse der Betroffenen einzugehen und ihnen geschützte Räume zu bieten. Parallel zur Feldforschung bereitet das STRONG-Team einen Workshop vor, um mit beteiligten Akteuren erste Zwischenergebnisse zu präsentieren, diese gemeinsam zu diskutieren und weitere Maßnahmen zu entwickeln. „Dieser Austausch zwischen Praxis und Wissenschaft ist zentral, um die Handlungsempfehlungen weiter zu schärfen. Wir bringen medizinische Kompetenz und kulturelle Sensibilität zusammen. Denn wenn wir das medizinische Personal stärken und ihnen das nötige Wissen an die Hand geben, können wir viel für die betroffenen Frauen erreichen“, betont Prof. Dr. Kohlen.
Stand: 11.12.2024