ASSIST – Bedarfsgerechtere Hilfe für Suchtkranke

Oft finden Menschen, die legale und illegale Drogen konsumieren, keine an ihren Bedürfnissen ausgerichtete Hilfe. Das Projekt ASSIST erleichtert den Zugang zu passenden Angeboten, indem es Einrichtungen der Suchthilfe besser vernetzt.

Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums zeigen schwarz auf weiß, Deutschland hat ein Problem mit legalen wie illegalen Drogen: In Deutschland leben etwa 1,6 Millionen Menschen mit der Diagnose Alkoholabhängigkeit. Schätzungen zufolge sind 2,3 Millionen Menschen von Medikamenten abhängig und ca. 600.000 Menschen haben einen problematischen Konsum von Cannabis und anderen illegalen Drogen. Der Drogenkonsum beeinträchtigt das soziale und berufliche Leben Betroffener oft gravierend. Auch schwere und vielfältige gesundheitliche Schäden kommen hinzu. Wenn Suchtkranke jedoch Hilfe suchen, stehen sie oft vor großen Hürden: Die verschiedenen ambulanten und stationären Einrichtungen der Suchthilfe sind nur unzureichend vernetzt und die empfohlene Behandlungsoption nicht unbedingt an den Bedürfnissen der Betroffenen orientiert.

Diese Herausforderungen adressieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Forschungsprojekt ASSIST. „Bei unseren Betreuungsangeboten orientieren wir uns an den ganz konkreten Zielen und Ressourcen der Menschen, die legale und illegale Substanzen zu sich nehmen. Deshalb arbeiten wir mit zahlreichen lokalen Partnern aus der Suchthilfe zusammen“, sagt Projektleiter Dr. Maurice Cabanis vom Klinikum Stuttgart. ASSIST soll das Suchthilfesystem in Stuttgart weiterentwickeln und wird seit 2020 für insgesamt drei Jahre mit rund 2,2 Millionen Euro durch den Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gefördert.

Einfacher Zugang zu passenden Betreuungsangeboten

Um den Zugang zum Suchthilfesystem so niederschwellig wie möglich zu gestalten, haben die Forschenden eine Website eingerichtet. Hier können sich Betroffene anmelden, online Fragen zu ihrem Konsum, ihren gesundheitlichen und auch sozialen Problemen und ihrem Bedarf an Unterstützung beantworten. Die Fragebögen wurden in Zusammenarbeit mit Betroffenen und Mitarbeitenden des Stuttgarter Suchthilfesystems entwickelt und verwenden eine einfache Sprache, um alle zu erreichen.

Die Website eröffnet auch den Zugang zum Regionalen Kompetenzzentrum (RKZ). Das Zentrum wurde im Projekt ASSIST entwickelt und ist Schnittstelle zwischen den Betroffenen und den spezifischen Einrichtungen der Suchthilfe. Die Mitarbeitenden im RKZ haben einen Überblick über alle suchtspezifischen Angebote in und um Stuttgart und stehen mit deren Ansprechpersonen in einem engen Austausch. Sie haben alle benötigten Informationen, um gemeinsam mit den Betroffenen einen individuell passenden Behandlungsplan zu erstellen. „Riskanter oder schädlicher Konsum hat verschiedene Ursachen, deshalb berücksichtigen wir die Geschichte und Lebensumstände der Betroffenen. Wir fragen nach möglichen zusätzlichen Erkrankungen und können so passende Beratungs- und Behandlungsangebote erstellen“, erläutert Cabanis.

Der Behandlungsplan kann nach Anmeldung über die Website eingesehen werden, sodass die Betroffenen jederzeit einen Überblick über die anstehenden Schritte haben. Auch die Einrichtungen erhalten den Behandlungsplan und alle relevanten Informationen über die Betroffenen durch das RKZ. Auf diese Weise müssen die Daten nicht mehrfach erhoben werden, es bleibt mehr Zeit für die eigentliche Beratung und Behandlung und die Einrichtungen können sich untereinander austauschen.

Studie untersucht den Erfolg des neuen Versorgungskonzepts

Das ASSIST-Projektteam erprobt sein Konzept in einer Studie. Nachdem im Lokalfernsehen, über Plakate, Flyer und in Apps auf das neue Angebot aufmerksam gemacht wurde, konnten bis November 2022 insgesamt rund 300 Studienteilnehmende gewonnen werden. Die Hälfte von ihnen konnte die Website und die Betreuung durch das RKZ direkt nutzen. Die andere Hälfte konnte anfangs hingegen nur die etablierten Einrichtungen der Regelversorgung nutzen – erst nach sechs Monaten erhielten sie den Zugang zum neuen Versorgungsangebot. So kann untersucht werden, ob es zwischen den beiden Gruppen Unterschiede im Behandlungsverlauf, der Zufriedenheit und im Behandlungserfolg gibt.

Die Studie soll bis Ende September 2023 ausgewertet sein, schon jetzt aber gibt es zahlreiche positive Rückmeldungen zum neuen Konzept von ASSIST. Das RKZ wird von Studienteilnehmenden als „helfende Hand“ beschrieben, die den Weg zeigt, um eigene Ziele zu erreichen. Weitere Betroffene loben die Möglichkeit, Beratungs- und Behandlungsplanung aktiv mitzugestalten. „Endlich geht es einmal nicht nur um die Sucht, sondern um mich“, heißt beispielsweise ein Zitat von Teilnehmenden auf der Website.

Regionale Kompetenzzentren in ganz Deutschland

„Wir wollen ASSIST dauerhaft in das Stuttgarter Suchthilfesystem überführen. Dafür sprechen wir mit Betroffenen, Kostenträgern und mit den Mitarbeitenden der Suchthilfeeinrichtungen“, sagt Cabanis. Aus Sicht der Forschenden bietet das Konzept sich auch für weitere Regionen Deutschlands als regelhafter Teil der Gesundheitsversorgung an.

Stand: 09.03.2023