KOKOS-MS: Care- und Case-Management bei Multipler Sklerose

Mit fortschreitender Erkrankung erleben Menschen mit Multipler Sklerose immer stärkere Einschränkungen in der Gestaltung ihres Alltags. Eine feste, koordinierende Ansprechperson soll helfen, ihre vielfältigen Belange zu regeln.

In Deutschland leben ca. 280.000 Menschen mit Multipler Sklerose (MS), einer chronisch-entzündlichen Erkrankung des zentralen Nervensystems. Mit dem Fortschreiten ihrer Erkrankung wird es für sie immer schwieriger, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Die schwer an MS Erkrankten und ihre Bezugspersonen fühlen sich oft überfordert und alleingelassen, wenn es darum geht, die gesundheitliche, pflegerische und sozialrechtliche Versorgung zu gestalten, mobil zu sein und soziale Kontakte aufrecht zu erhalten.

Mit dem Projekt „Kommunikation, Koordination und Sicherheit für Menschen mit Multipler Sklerose“ (KOKOS-MS) möchten Forschende am Universitätsklinikum Köln auf die schwierige Situation der schwer an MS Erkrankten und ihrer engen Bezugspersonen aufmerksam machen. Ihr Ziel ist es, schwer betroffene Patientinnen und Patienten zu identifizieren, ihre individuellen Sozial- und Gesundheitsbedarfe zu ermitteln, notwendige Dienstleistende zu finden und deren Inanspruchnahme zu koordinieren. Im Rahmen eines sektorenübergreifenden Care- und Case-Managements (CCM) können feste Ansprechpersonen im bestehenden Versorgungsnetzwerk übergeordnet Prozesse steuern sowie die Erkrankten unterstützen und beraten – bspw. beim Umgang mit Behörden, Versicherungen, Pflegediensten, Sanitätshäusern, Ärztinnen und Ärzten sowie mit Therapeutinnen und Therapeuten. So sollen die Lebensqualität verbessert, Krankheitssymptome gelindert und psychische Beschwerden wie Angst oder Depressivität reduziert werden. Das Projekt wird seit 2020 für insgesamt 40 Monate mit rund 1,6 Millionen Euro durch den Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gefördert.

Unterstützung durch feste Ansprechpersonen

„Wir stellen schwerkranken Patientinnen und Patienten eine feste Ansprechperson zur Seite, die ihnen im Alltag hilft“, beschreibt Professorin Heidrun Golla, Projektleiterin bei KOKOS-MS, das Konzept. „Diese Care- und Case-Managerinnen unterstützen die Betroffenen und ihre Angehörigen beispielsweise bei Anträgen auf Erwerbsminderungsrente, bei Anträgen zur Feststellung des Pflegegrades, bei der Suche nach barrierefreien Wohnungen und passenden Versorgungsangeboten.“

Dank wöchentlicher Kontakte können die CCM zeitnah und flexibel auf sich ändernde Bedürfnisse der Erkrankten eingehen. Sie haben einen Überblick über die regionalen gesundheitlichen Versorgungsangebote, helfen beim Umgang mit Behörden oder Kranken- und Rentenversicherungen und geben den Betroffenen die notwendigen Informationen, um ihnen eine Mitsprache bei langfristigen Therapie- und anderen Lebensentscheidungen zu ermöglichen.

Durch ihre sektorenübergreifende Arbeit können die CCM unabhängig davon, ob sich die Patientinnen und Patienten gerade ambulant oder stationär in Behandlung befinden, auf die Betroffenen eingehen und individuelle und bedarfsgerechte Versorgungspläne erstellen (Case-Management). Gleichzeitig können die CCM Versorgungsdefizite im bestehenden Versorgungsnetzwerk erkennen und diesen in ihrer Funktion als Schnittstelle zwischen den verschiedenen gesundheitlichen, pflegerischen und sozialen Bereichen entgegenwirken (Care-Management).

Studie untersucht Wirkung der Hilfe – Auswertung läuft

Wie wertvoll eine solche Unterstützung sein kann, wird derzeit am Universitätsklinikum Köln in einer klinischen Studie mit 80 Teilnehmenden untersucht. Hierfür wurden Menschen mit schwerer MS und deren Bezugspersonen rekrutiert. Dabei hatte man sich auf neurologische Arztpraxen und Hausarztpraxen sowie Kliniken für Neurologie und Palliativmedizin gestützt.

Bei Betroffenen stieß diese Studie auf großes Interesse: „Wir erhielten mehr Anfragen von Patientinnen und Patienten, als wir in die Studie einschließen konnten“, sagt Projektleiterin Golla. Die Hälfte der Studienteilnehmenden erhielt die Standardversorgung innerhalb der bestehenden Gesundheits- und Sozialstrukturen, während die andere Hälfte zusätzlich für ein Jahr durch die CCM begleitet wurde. Aktuell läuft die Auswertung der Studie; dabei untersucht das Projektteam schwerpunktmäßig, wie sich die Begleitung durch die CCM auf die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten ausgewirkt hat. Außerdem wird ermittelt, welche Leistungen des Gesundheitssystems in Anspruch genommen wurden und wie es um die Belastung und Lebensqualität der sorgenden Bezugspersonen bestellt ist.

CCM bei weiteren neurologischen Erkrankungen

Dabei sind die Erkenntnisse aus diesem Forschungsprojekt nicht nur für das Krankheitsbild MS interessant, meint Projektleiterin Golla – grundsätzlich können sie auch für die Versorgungsplanung bei anderen neurologischen Erkrankungen genutzt werden. „Wir möchten das Care- und Case-Management bei schweren neurologischen Erkrankungen weiterentwickeln und unser Konzept in weiteren Studien krankheitsübergreifend erproben“, erläutert sie. Langfristiges Ziel der Projektbeteiligten ist es, dass das Care- und Case-Management zu einem ergänzenden Bestandteil der Regelversorgung bei schweren neurologischen Erkrankungen wird.

Stand: 25.05.2023