Smartes Konzept gegen Migräne – SMARTGEM
Pulsierender Kopfschmerz gepaart mit Übelkeit sowie Lärm- und Lichtempfindlichkeit sind sichere Anzeichen einer Migräneattacke. Viele Betroffene erleiden eine solche Attacke mehrmals monatlich und sind in ihrer Lebensqualität oftmals stark eingeschränkt. Das Projekt SMARTGEM will mit einem innovativen Therapieansatz die Behandlung für Betroffene verbessern.
Migräne zählt zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen: Mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland leiden unter regelmäßigen Migräneattacken. Oft helfen ihnen nur noch Schmerzmittel und der Rückzug in einen ruhigen, dunklen Raum. Eine fachärztliche Behandlung kann dazu beitragen, Migräneattacken vorzubeugen. Oft aber müssen Betroffene lange auf einen Termin bei Fachärztinnen und Fachärzten warten und im ländlichen Raum lange Anfahrtswege auf sich nehmen. Helfen könnte SMARTGEM, eine Smartphone-gestützte Migränetherapie. Das an der Berliner Charité entwickelte Behandlungskonzept soll Betroffene bei ihrer Therapie digital begleiten und den Austausch mit Spezialistinnen und Spezialisten erleichtern. Es vereint verschiedene telemedizinische Ansätze, um sowohl Häufigkeit und Intensität von Kopfschmerzen als auch den Schmerzmittelverbrauch zu verringern. Hierdurch wird langfristig auch das Risiko gesenkt, dass Migräneattacken chronisch werden. Der Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) fördert das Projekt SMARTGEM für vier Jahre mit rund 3,3 Millionen Euro.
Eine App soll den Betroffenen helfen
Die Auslöser und Verstärker von Migräneattacken liegen oft im Alltag. Daher ist eine genaue Dokumentation des Tagesablaufs der Betroffenen über mehrere Wochen hinweg notwendig. Zum Konzept von SMARTGEM gehört die Smartphone-App „M-Sense“, die eigens für das Projekt angepasst wurde. Mit ihr können Betroffene schnell und unkompliziert selbst alle nötigen Daten zu Schmerzattacken erfassen; Algorithmen unterstützen die Auswertung. „Die App bietet eine bessere Übersicht – die regelmäßige Dokumentation der Schmerzattacken ist hervorragend geeignet, mögliche Auslöser zu erkennen“, sagt PD Dr. Lars Neeb, der Projektleiter des SMARTGEM-Projekts.
In einer kontrollierten Studie soll untersucht werden, ob diese neue Versorgungsform Migräne-Patientinnen und -Patienten wirksam helfen kann. In die Studie konnten – trotz erschwerter Rahmenbedingungen in der Corona-Pandemie – mehr als 600 Patientinnen und Patienten im Alter von 19 bis 80 Jahren eingeschlossen werden. Die Probanden der Kontrollgruppe werden mit der neuen App versorgt, die für diese Teilnehmenden zusätzliche Funktionen wie individuelle, nicht-medikamentöse Therapieangebote – Module zur Entspannung, zu sportlichen Aktivitäten und verhaltenstherapeutische Übungen bietet. Eine Vergleichsgruppe erhält die App nur zur reinen Kopfschmerzdokumentation ohne die zusätzlichen Funktionen. Die Annahme, dass sich vor allem jüngere Patientinnen und Patienten für digitale Behandlungsansätze entscheiden, konnte bereits widerlegt werden: „Erste Ergebnisse zeigen, dass unser Therapiekonzept von Betroffenen aller Altersklassen sehr positiv angenommen wird“, so Neeb.
SMARTGEM ermöglicht sektorübergreifende telemedizinische Beratung und Patientenaustausch
Über SMARTGEM können sich niedergelassene Ärztinnen und Ärzte mit Spezialistinnen und Spezialisten in drei klinischen Zentren in Berlin, Halle und Rostock telemedizinisch vernetzen und sich gegenseitig zu Patienten beraten. Ein solches sektorübergreifendes Netzwerk zwischen universitärer Medizin und ambulanter Versorgung soll die Behandlung von Migränepatientinnen und -patienten weiter verbessern. Patientinnen und Patienten werden über SMARTGEM sowohl Online-Sprechstunden („Expertenchats“) als auch ein ärztlich moderiertes Patientenforum angeboten. In dem Patientenforum können sich Betroffene miteinander austauschen, aber auch ärztliche Antworten auf mögliche Fragen erhalten.
Modellcharakter: SMARTGEM könnte die Versorgung ergänzen
SMARTGEM hat bundesweiten Modellcharakter: Sollte sich das App-gestützte Therapieangebot in der Praxis bewähren, könnte es die Versorgung von Migräne-Patientinnen und -Patienten ergänzen. Insbesondere in ländlichen Regionen könnte das telemedizinische Angebot den Zugang zu fachärztlicher Beratung erleichtern und die Migränehäufigkeit bei vielen Betroffenen senken und zu mehr Lebensqualität beitragen. Bei der Evaluation von möglichen digitalen Therapieangeboten fehlen bisher oft einheitliche Qualitätsstandards; auch hier könnte SMARTGEM als Modellprojekt dienen.
Stand: 13.06.2022