TELE-KASPER: Antibiotikaresistenzen verringern

Damit Antibiotika nicht ihre Wirksamkeit verlieren, sollen sie gezielt eingesetzt werden. Forschende im Projekt TELE-KASPER wollen die Gabe von Antibiotika in der Kinder- und Jugendmedizin mittels Telemedizin und einer App deutlich reduzieren.

Immer mehr Menschen sterben weltweit an der Folge bakterieller Infektionen, die aufgrund von resistenten Erregern nicht mehr behandelt werden können. Weltweit nehmen diese Resistenzen zu – mit dramatischen Folgen: Für die Therapie stehen teilweise kaum oder gar keine Antibiotika mehr zur Verfügung. Solche Resistenzen entstehen, weil Antibiotika zu häufig und teilweise nicht zweckentsprechend verschrieben oder eingesetzt werden – auch in der Kinder- und Jugendmedizin. Hier setzt das Projekt TELE-KASPER an: Das Ziel der Forschenden ist es, die stationäre Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Infektionen zu verbessern, indem ein telemedizinisches Antibiotic Stewardship (ABS)-Programm etabliert wird. TELE-KASPER wird seit dem Jahr 2020 für insgesamt 45 Monate mit rund 7,7 Millionen Euro durch den Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesauschuss (G-BA) gefördert.

Antibiotic Stewardship gegen Resistenzentwicklung

Unter einem ABS-Programm versteht man ein breit angelegtes Konzept, das den verantwortungsvollen und zielgerichteten Einsatz von Antibiotika sicherstellen soll, um einen maximalen Therapieeffekt abzusichern und die Entwicklung von Resistenzen zu vermeiden. Hierzu muss zunächst der bakterielle Erreger nachgewiesen werden, der für die Infektion verantwortlich ist. So lässt sich ein geeignetes Antibiotikum finden und zugleich können Dauer der Therapie, Dosierung und Form der Antibiotika-Gabe optimal eingestellt werden.

Antibiotika-Einsatz durch Telemedizin optimieren

Im Projekt TELE-KASPER vernetzen sich hierzu Ärztinnen und Ärzte an lokalen und regionalen Kinderkliniken mit Spezialistinnen und Spezialisten für pädiatrische Infektiologie an Universitätskliniken; mittel- bis langfristig soll diese Zusammenarbeit mit Infektionsexpertinnen und -experten die Gabe von Antibiotika bei Kindern und Jugendlichen um mindestens 20 Prozent verringern. „Dies ist ausgesprochen wichtig“, meint Projektkoordinatorin Dr. Martha Wildemann, Pharmazeutin beim Universitätsklinikum München. „Im Erwachsenenbereich gibt es sehr viele Programme, die sich mit der Thematik beschäftigen. Im Gegensatz dazu gibt es im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin leider nur sehr wenige Angebote. Viele kleinere Kinderkliniken können nicht auf geschulte Fachärztinnen und Fachärzte mit Erfahrung im rationalen Einsatz von Antibiotika bei Kindern zugreifen. Auch das Wissen von Infektiologinnen und Infektiologen ist vor Ort selten verfügbar.“

Eine App unterstützt bei der Entscheidungsfindung

Das bei TELE-KASPER entwickelte telemedizinische ABS-Programm wird in versetzter Zeitabfolge in 35 nicht-universitären Kinderkliniken eingeführt und durch Forscherinnen und Forscher der Universität Halle-Wittenberg evaluiert. Diese analysieren, ob sich der Antibiotikaverbrauch und die Resistenzstatistiken verändern, wie hoch die Verweildauer der jungen Patientinnen und Patienten im Krankenhaus und die Sterblichkeitsrate sind.

Teil der neuen Versorgungsform ist eine speziell für das Projekt entwickelte digitale App für Computer und mobile Endgeräte, die für die kooperierenden Kliniken als zentrale Informations- und Austauschplattform infektiologische Inhalte speziell im Hinblick auf die kleinen Patientinnen und Patienten bereithält. Um Ärztinnen und Ärzten neueste Erkenntnisse der Infektiologie zu vermitteln, sind hier zum einen Basisinformationen als Nachschlagewerk zu finden, zum anderen aber auch multimediale Weiterbildungsformate. Über den dritten Kernbereich der Plattform können spezifische Anfragen gestellt werden, die von den Expertinnen und Experten der Universitätskliniken direkt beantwortet (TeleInfos) oder aber in telemedizinischen Konsilen und Fallkonferenzen beraten werden. Diese direkte Kontaktaufnahme mit Expertinnen und Experten für Infektiologie der Universitätsklinik ist bislang einmalig in Deutschland.

Ein erster Einblick in die Ergebnisse

Erste Auswertungen der Studie zeigen, dass die App von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten der kooperierenden Kliniken stark genutzt wird. Die drei meistgeklickten Artikel im Nachschlagwerk sind: ambulant erworbene Pneumonie (Lungenentzündung), ambulant erworbener Harnwegsinfekt und Tonsillopharyngitis (Rachen- und/oder Gaumenmandelinfektion). Die meisten Kliniken sind laut einer Befragung mit der Handhabung sowie den Inhalten der App bis dato sehr zufrieden. Da schnelles Handeln bei akuten bakteriellen Infektionen wichtig ist, bemühen sich die beratenden Expertinnen und Experten, die Zeit bis zur ersten Empfehlung möglichst kurz zu halten – bei Telekonsilen beträgt die Wartezeit durchschnittlich vier Stunden, für TeleInfos im Durchschnitt lediglich drei Stunden.

Professor Johannes Hübner von der Klinik und Kinderpoliklinik München, Projektleiter bei TELE-KASPER, sagt: „Im Erfolgsfall kann das Programm die antibiotische Versorgung von Kindern und Jugendlichen in nicht-universitären Kinderkliniken flächendeckend verbessern. Unser Ziel ist es, das Programm auch nach Ablauf der Projektlaufzeit aufrecht zu erhalten und wenn möglich in die Regelversorgung zu überführen. So kann das Projekt zu einem angemessenen Antibiotikagebrauch in Kinderkliniken und damit mittel- bis langfristig zur Eindämmung von Antibiotikaresistenzen beitragen.“

Stand: 22.08.2023