Multiple Sklerose: Kombinierte Datenquellen zeigen Nebenwirkungen auf

Bei der Behandlung von Multipler Sklerose helfen zahlreiche neue Medikamente. Mögliche seltene unerwünschte Nebenwirkungen dieser Medikamente will das Projekt VerSi-MS-PV dank verschiedener Datenquellen besser erfassen.

Die Multiple Sklerose (MS) zählt zu den häufigsten chronisch-entzündlichen Erkrankungen des zentralen Nervensystems – allein in Deutschland sind über 280.000 Menschen davon betroffen. Die Krankheit verläuft in Schüben und individuell sehr unterschiedlich, aber oft erleben Betroffene schwere Beeinträchtigungen ihres Alltags. In vielen Fällen lässt sich der Krankheitsverlauf mit Medikamenten jedoch positiv beeinflussen. In den vergangenen zehn Jahren sind zahlreiche neue Medikamente zugelassen worden, die das Therapiespektrum deutlich erweitern. Auch wenn die Zulassung von Medikamenten an den Nachweis von Verträglichkeit, Wirksamkeit und Sicherheit gebunden ist, zeigen sich einige seltene Nebenwirkungen erst im Behandlungsalltag. Hier setzt das Projekt VerSi-MS-PV an und untersucht, wie unerwünschte Nebenwirkungen der neuen Medikamente bei MS-Betroffenen besser erfasst werden können. Das Projekt wird seit 2019 für insgesamt vier Jahre mit rund 1,5 Millionen Euro durch den Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gefördert.

Nebenwirkungen auch nach der Zulassung erfassen

Zum Zeitpunkt der Zulassung eines neuen Medikaments sind aufgrund beschränkter Patientenzahlen in den zugrunde liegenden klinischen Studien insbesondere seltene Nebenwirkungen und solche bei Erkrankten mit speziellen Symptomkombinationen nicht bekannt. Deswegen ist die Erfassung von Nebenwirkungen auch nach der Zulassung wichtig. Hierzu können das Spontanmeldesystem des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) bzw. des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) genutzt werden sowie Patientenregister. Eine Meldung über das PEI oder BfArM ist jedoch nicht verpflichtend, eine Aufnahme in ein Patientenregister an die Zustimmung der Betroffenen gebunden.

Zusätzlich zu diesen Erfassungssystemen werden im Projekt VerSi-MS-PV unterschiedliche Datenquellen aus der ambulanten und stationären Versorgung von MS-Patientinnen und -Patienten genutzt und analysiert. „Wir haben zum Beispiel Daten aus den Patientenregistern ausgewertet, in denen Krankheitsverlauf und Therapie dokumentiert und mit den dazu gehörigen Daten der Krankenkassen, den sogenannten Sekundärdaten, zusammengeführt werden“, beschreibt der Projektleiter von VerSi-MS-PV, Professor Klaus Berger von der Universität Münster, das Vorgehen. „Unsere Analyse gibt Aufschluss darüber, wann und warum eine Behandlung geändert wurde und wie häufig unerwünschte Wirkungen auftreten. Zudem werden Therapiewechsel und Neuerkrankungen berücksichtigt.“

Mit Daten Risiken und Nebenwirkungen bestimmen

Konkret wurden für die Analyse die Abrechnungsdaten von 44 Betriebskrankenkassen und 12 Kassenärztlichen Vereinigungen mit Daten aus zwei MS-Patientenregistern und dem Spontanmeldesystem des PEI zusammengeführt. Dabei haben die Projektverantwortlichen mit dem Dachverband der Betriebskrankenkassen, dem Zentralinstitut der kassenärztlichen Versorgung, der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband und dem PEI zusammengearbeitet.

Das wohl wichtigste Ergebnis bei VerSi-MS-PV aus Sicht der Projektverantwortlichen: Aus den Sekundärdaten ließen sich für einzelne Medikamente die Risiken für verschiedene Erkrankungen berechnen, die in der Folge der MS-Therapie bei den Patientinnen und Patienten auftraten. Auf Basis der Daten aus den Patientenregistern wurden Sicherheitsberichte für einzelne Wirkstoffe erstellt, die die Häufigkeiten von Nebenwirkungen aufführen und damit eine bessere Entscheidungsgrundlage für die Therapieauswahl bieten. Ebenfalls konnte gezeigt werden, dass sich die Daten aus den Patientenregistern mit den Sekundärdaten kombinieren lassen, um Angaben beispielsweise zu Symptomen und der Krankheitsschwere zu ergänzen, die in Kassendaten nicht enthalten sind.

Ergebnisse auch auf andere Erkrankungen übertragbar

Nach Einschätzung der Projektverantwortlichen kann eine verbesserte Aufdeckung von unerwünschten Nebenwirkungen dazu beitragen, die Versorgung von MS-Patientinnen und -Patienten sicherer zu gestalten. Die im Projekt entwickelten Methoden zur Datenverknüpfung und -analyse lassen sich, so ihre Einschätzung, auch auf andere Erkrankungen übertragen, bei denen neu zugelassene Medikamente noch einen geringen Erprobungsgrad aufweisen, um deren Anwendungssicherheit zu verbessern.

Stand: 25.05.2023