Projekteinblicke: Bauchschmerzen ohne erkennbare Ursache – Wissen(s)Star klärt auf

Fast jedes dritte Kind leidet an wiederkehrenden Bauchschmerzen – allerdings ohne organische Störungen. Forschende im Projekt „Wissen(s)Star“ setzen im Umgang mit solchen funktionellen Schmerzen auf fundierte Aufklärung der Betroffenen und ihrer Familien im Internet.

Immer wieder Bauchschmerzen, ohne dass eine organische Ursache feststellbar wäre? In der Medizin werden diese Schmerzen als „funktionelle“ Schmerzen bezeichnet. Eine entsprechende Einordnung ist jedoch erst möglich, wenn andere Gründe nach umfangreichen Untersuchungen ausgeschlossen wurden – über die sogenannte Ausschlussdiagnose. In dieses Krankheitsbild fallen beispielsweise das Reizdarmsyndrom, der sogenannte Reizmagen, abdominelle Migräne – auch bekannt als Bauchmigräne - und der nicht anders spezifizierte funktionelle Bauchschmerz.

Bei betroffenen Kindern und Jugendlichen scheint das Nervensystem des Magen-Darm-Bereichs empfindlicher zu sein als bei gesunden Altersgenossen. Als Ursache gilt ein komplexes Zusammenspiel von psychologischen, sozialen und biologischen Faktoren. Viele Betroffene erfahren aufgrund ihrer Bauchschmerzen deutliche Einschränkungen: Sie fehlen häufiger in der Schule, sind emotional stärker belastet und haben eine eingeschränkte Lebensqualität. Ein Team des Deutschen Kinderschmerzzentrums an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln – Universität Witten/Herdecke erforscht im Projekt „Wissen(s)Star“ derzeit, ob ihnen und ihren Familien mit gezielten Informationen geholfen werden kann. Das Projekt wird für drei Jahre mit rund 1,5 Millionen Euro durch den Innovationsauschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gefördert.

Internetseite soll altersgerechte Informationen liefern

„Das Ergebnis Ausschlussdiagnose verunsichert die betroffenen Familien oft. Sie fragen sich, ob vielleicht doch eine körperliche Ursache für die Schmerzen übersehen wurde“, sagt Dr. Julia Wager vom Deutschen Kinderschmerzzentrum, Projektleiterin bei „Wissen(s)Star“. Um mit funktionellen Bauchschmerzen richtig umzugehen, ist es deshalb wichtig, dass Betroffene und ihre Familien gut über die Symptome der Erkrankung und die beeinflussenden Faktoren aufgeklärt sind. Damit würde die Gesundheitskompetenz von Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern gestärkt und sie könnten ihr Verhalten entsprechend anpassen.

Hier setzt das Projekt „Wissen(s)Star“ an: Zu Beginn des Projektes wurde eine Internetseite konzipiert, die sich auf die Erfahrung von Betroffenen sowie Expertinnen und Experten stützt und den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Thema wiedergibt. Die Website soll altersgerechte und zuverlässige Gesundheitsinformationen vermitteln. Interaktive Elemente lockern die Wissensvermittlung auf und für kleinere Kinder gibt es die Möglichkeit, sich Texte vorlesen zu lassen.

Studie vergleicht Behandlungsergebnisse

Ob die angebotenen, wissenschaftlich geprüften zielgruppenspezifischen Informationen die Ergebnisse einer Behandlung verbessern können, wird anschließend in einer Studie untersucht: Alle Teilnehmenden der Studie werden den aktuellen Leitlinien entsprechend behandelt. Zusätzlich erhält die sogenannte Interventionsgruppe und deren Eltern drei Monate lang Zugang zur neuen Website; die sogenannte Kontrollgruppe hingegen nicht. Das Wissen beider Gruppen über Bauchschmerzen, das Gesundheitsverhalten der Kinder und ihrer

Eltern, Häufigkeit und Intensität der Schmerzsymptome sowie die Arzt-Patienten-Interaktion werden anschließend miteinander verglichen.So wollen die Forschenden herausfinden, ob Betroffene und deren Eltern nachhaltigen Nutzen aus der Website ziehen können.

Beginn der Rekrutierung – eine große Chance für kleine Patientinnen und Patienten

Das Projekt konnte bereits erfolgreich alle multimedial aufbereiteten Materialien, wie beispielsweise Zeichentrickfilme, Grafiken sowie Audiomaterial erstellen und eine vorläufige Website anlegen. Inzwischen steht der Rekrutierung der (kleinen) Patientinnen und Patienten und deren Familien nichts mehr im Wege. Die auf Magen-Darm-Erkrankungen spezialisierten Klinikambulanzen in den Regionen Bonn, Bremen, Datteln und Dortmund sind bereit, Kinder über fünf Jahren, die wegen Bauchschmerzen die Ambulanzen aufsuchen, in die Studie einzuschließen. Rekrutiert wird voraussichtlich bis Ende Februar 2023.

Online-Angebot zielt auf Erfahrungs- und Lerneffekte

Nach positiver Evaluation soll das im Projekt entwickelte Online-Angebot frei zugänglich werden, damit möglichst viele Betroffene, die unter funktionellen Bauchschmerzen leiden, von den Inhalten profitieren können. Zusätzlich soll in bestehenden Web-Angeboten von Krankenkassen, Fachgesellschaften und Berufsverbänden auf das neue Portal verwiesen werden. Das internetbasierte Informationsangebot zielt auf einen Erfahrungs- und Lerneffekt: Bereits im sehr jungen Lebensalter lernen die Betroffenen, richtig mit dem eigenen Körper und aktiv mit Erkrankungen umzugehen, denen man sich nicht hilflos ausgeliefert fühlen muss.

Stand: 13.06.2022